Gedanken zur Non-Linearität des Lebens

Unsere Antwort auf Dianas Frage im Kommentar im „Willkommen“ vom Jul 14, 2024

Die Beschäftigung mit der Non-Linearität ist uralt. Diese interessante Frage verlangt fast nach einer Doktorarbeit und kann in diesem Rahmen nur unvollständig beantwortet werden. Es gibt Antworten aus der Wissenschaft, aus spirituellen Traditionen und aus unseren Alltagserfahrungen. Auf jeden Fall braucht es ein tieferes Verständnis der Hintergründe.

In der Schamanistischen Lehre der Twisted Hairs (verwobenes Wissen verschiedener Kulturen) sind Jahrtausende alte Erkenntnisse und daraus resultierendes Wissen auf sogenannten Rädern der Weisheit angeordnet. Das Rad der Gesetze besagt zur Nicht-Linearität: „Alles Leben, alle Schwingungen, alle Energie folgt dem Rad, es bewegt sich zyklisch, durch alles, was existiert, jemals existierte oder existieren wird. Der Lebensstrom ist kreisförmig, alles kehrt wieder zurück.“

Ein weiteres Gesetz lehrt, dass alles Leben, alle Energie, Materie und Gestalt miteinander verbunden ist. Es gibt nichts, was absolut isoliert ist. Diese Gesetze werden im Rad des Lebens speziell auf das menschliche Leben bezogen. Es beschreibt, wie sich Themen der Kindheit in Beziehungen des erwachsenen Menschen wiederholen, dann im reifen Alter als festgefügte oder geöffnete Glaubenssysteme erscheinen und letztendlich im hohen Alter in Bitterkeit oder Weisheit ihren Abschluss finden.

Hast Du auch schon die Erfahrung gemacht, dass Probleme, die Du überwunden geglaubt hast, irgendwann im Leben wieder auftauchen – in einem anderen Zusammenhang, auf einer anderen Bühne, oft in Beziehungen?

Wir Menschen haben die Tendenz, ungelöste, verdrängte oder unbewusste Lebensthemen nach aussen zu projizieren, um uns scheinbar von ihnen zu entlasten. Da diese Themen aber innerlich weiter energetisch mit uns verbunden bleiben, entsteht entsprechend den oben genannten Gesetzmässigkeiten unbewusst eine Attraktion zu Ereignissen oder zu Menschen, die uns mit diesen ungelösten Themen wieder konfrontieren, um uns eine neue Chance zu ihrer Lösung zu geben. Diese Chance liegt darin, schwierige Themen aus einem neuen, reiferen Blickwinkel zu betrachten und zu verstehen und sie ganz oder teilweise zu überwinden. Dazu braucht es Selbstreflexion, Offenheit und die Akzeptanz, dass zu unserem individuellen Leben unvermeidbare Grundängste gehören, die uns in vielfältigen Variationen und Masken ein Leben lang begleiten und uns damit zu Wachstum antreiben.

Für die gesellschaftliche, politische und kollektive Ebene gilt das gleiche Prinzip: Unbewusst gebliebene Ängste und die geistige Unwissenheit junger Seelen führen zu Konflikten, die immer wieder aufflammen und sich nach dem gleichen Prinzip ein Ventil suchen, was u.a. auch in Kriege münden kann. Anscheinend muss (fast) jede Generation diese Erfahrungen machen. Ein erschreckendes Beispiel ist das weltweite Wiedererstarken rechtsradikaler Ideologien als Zeichen mangelnder Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Eine typische Aussage ist: wir müssen nach vorne schauen.

Ein kleiner Schlenker in die Wissenschaft…

Die Idee der exakten Linearität und damit die Berechenbarkeit eines Systems kommt aus dem mechanistischen Weltbild der Newtonschen Physik. Sie ist das Fundament für die Naturwissenschaft und gilt für geschlossene Systeme, dem Ideal der Maschine. Hier gelten die Methoden der Analyse auf eine einzige Dimension und der wissenschaftlichen Reproduzierbarkeit.

Antagonistische Sichtweisen können so nicht integriert werden. Trotzdem ist lineares Denken beliebt, weil es die Welt scheinbar einfacher macht und in vielen alltäglichen Fällen auch hilfreich ist. Doch sie vermittelt uns eine unvollständige Sicht der Welt und kann nicht auf das Leben übertragen werden. Lebende Wesen sind offene Systeme und stehen in einem dauernden, komplexen Beziehungsnetz bzw. Austausch mit der gesamten Umwelt. Leben ist nicht-linear und seine Berechenbarkeit eine Illusion, weil es unendlich viele, das Leben beeinflussende Faktoren gibt. Darum sind nicht-lineare Systeme auch nicht kontrollierbar und können damit Ängste und Unsicherheit wecken. Es ist wichtig, beide Sichtweisen zu verstehen und ihnen den ihnen gebührenden Platz zu geben.

3 Antworten zu „Gedanken zur Non-Linearität des Lebens“

  1. Avatar von Diana Ramette-Schneider
    Diana Ramette-Schneider

    Liebe Marco und Doris
    Herzlichen Dank für Eure interessanten und wertvollen Gedanken zur Nicht-Linearität!
    Es scheint mir in diesem Kontext immer wieder wichtig wahrzunehmen, zu erkennen und zu betonen, dass die Tatsache, dass Themen im eigenen Leben wiederkehren keinesfalls mit einer mangelnden Auseinandersetzung mit diesen zu tun hat, oder zumindest nicht muss. Meines Erachtens hat die New Age Welle diesbezüglich viel Schaden angerichtet bei den Menschen, indem sie ihnen zu glauben geben wollte, dass sie gescheitert sind, wenn sie leiden.
    Meiner Erfahrung nach fühlt es sich inzwischen eher so an, dass jede und jeder von uns nie weiss, was es noch an Tiefe von Selbsterfahrung zu (er-)leben gibt. Und wenn ich von Selbst spreche, meine ich unser göttliches Selbst. Diese Tiefe präsentiert uns das Leben selbst, manchmal in Form von Leiden, so wie ich das verstehe. Wir würden diese Dimension nämlich nie freiwillig aufsuchen. Denn in dieser sind wir mit allem verbunden, was wir in der dualen Welt sind: Licht-, aber eben auch Schattenseiten.
    Was meint Ihr dazu? Seht Ihr das auch so?
    Herzlichst,
    Diana

  2. Liebe Diana,
    Wir teilen deine Ansicht! Jedes Thema in unserem Leben hat viele Schichten, die wir nur „eine nach der anderen“ und mit viel Zeit erkennen können. Um zu tieferen Schichten vordringen zu können, braucht es Lebenserfahrung und oft auch mehr Wissen und Willen zur Selbsterkenntnis. Als ich jung war, war ich begeistert vom New Age und seinen vielfältigen Möglichkeiten zur Selbstfindung. Ich finde auch heute noch, dass diese Zeit ein wichtiger Aufbruch in eine tiefere Weltsicht war und noch ist. In einigen Kreisen ist es aber leider in einen pseudospirituellen, simplifizierenden Wettbewerb abgedriftet: wer hat mehr Vertrauen, wer besitzt die Hotline nach oben, wer lebt nur noch in der Liebe? Ja, da ist es leicht, sich als Versager zu fühlen, wenn man Probleme hat oder mal krank wird. Dabei sind es gerade die wiederkehrenden Schwierigkeiten, die uns zu Wachstum antreiben und uns so lebendig machen. Krankheit, Leiden und Probleme gehören genauso zum Leben wie Freude, Begeisterung und mal ganz unbeschwerte Zeiten.

  3. Avatar von Diana Ramette-Schneider
    Diana Ramette-Schneider

    Liebe Doris,
    ganz herzlichen Dank für Deine liebe Antwort, welche stark resoniert in mir!
    Ja, mir scheint die Lebendigkeit insofern auch wie ein Ausdruck des Auslebens unserer gleichzeitigen Menschlichkeit und Göttlichkeit. Wenn wir also Verletzlichkeit und Stärke gleichzeitig spüren und zulassen…
    Wie spannend und wie schön, dass wir uns darüber austauschen können!
    Liebe Grüsse,
    Diana

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